Die Entstehung von Ziamalia
Einst gab es nur zweierlei: Die Leere und den Urvater.
Rastlos durchschritt der Urvater die Leere auf der Suche nach dem Ende der Einsamkeit.
Doch so sehr er auch suchte, umso mehr verlor er sich in der Leere
und die Verzweiflung ergriff sein Herz.
In seiner Verzweiflung riss sich der Urvater die Beine aus, denn er war es müde,
die Leere zu durchschreiten.
Er riss sich den Kopf ab, denn die Gedanken der Einsamkeit quälten ihn.
Selbst seine Arme strebten auseinander und so rissen sie seinen Körper in zwei Hälften.
Aus der gebrochenen Brust fiel das Herz und es ward Feuer.
Der Urvater hatte die Einsamkeit in sich selbst gefunden und so waren die Götter geboren:
Aus den Beinen entstanden die Natur, die den Trieb des ewigen Fortlaufens geerbt hatte
und sich den Namen Thalaria gab,
so wie die Erde, die die Beständigkeit und Beharrlichkeit erbte und den Namen Tarlok erhielt.
Aus den Armen entstanden das wilde Wasser, welches sich Raldur nannte
und die sanftmütige Luft, die Ariola geheißen war.
Das Feuer seines Herzens gab sich den Namen Naari
und war leidenschaftlich aber auch wankelmütig.
Der Kopf jedoch, der Verstand hatte die Schwermut und Dunkelheit der vergangen Zeiten
nicht vergessen können. Er benannte sich Xoran.
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Doch schon bald reichten sich die Götter nicht mehr und die Kargheit der Leere machte sie traurig.
So schuf Naari mit ihrem Feuer die Sonne, um Licht in die Finsternis der Leere zu bringen
und so ward es warm und hell in der Leere.
Die Götter schwärmten um das Licht der Sonne,
aber die Unendlichkeit stimmte sie noch immer melancholisch.
So entfaltete Tarlok seine Kraft und schuf die Erde, Täler und Gebirge,
die im Licht der Sonne erstrahlten.
Auch Raldur wollte dazu beitragen das Heim der Götter zu verschönern
und so erschuf er das Wasser, füllte Täler mit Seen und Meeren
und verband sie mit Flüssen und Bächen.
Ariola war fasziniert von dem Werk und begann ihre Stimme zu erheben.
Sie sang ein Lied von schönsten Tönen, die über die Welt getragen wurden
und die Luft und den Wind erschuf.
Thalaria genoss zwar die Schönheit die sie sah,
doch fehlte ihr die Veränderung ihrem Wesen entsprechend.
So schuf sie Pflanzen, Bäume, Wiesen und Sträucher, die lebten und starben,
dem Kreislauf der Natur gemäß.
Die wundervolle Welt, die die fünf Götter geschaffen hatten,
sollte fortan den Namen Ziamalia tragen.
Doch bald versuchte ein jeder die Schöpfung des anderen zu übertreffen.
So stieg der Meeresspiegel und verdeckte die Erde, Pflanzen wucherten auf dem Grund des Meeres
und Stürme drängten das Wasser zurück.
Die Götter entschieden sich, damit ihr Werk nicht zerstört würde, es unter sich aufzuteilen.
Nur Xoran, der noch nichts beigetragen hatte, erhielt keinen Teil für sich.
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In Raldurs Land herrschte das Wasser. Von Fjorden zu Meeren, von Schnee zu Eis erschuf er eine Welt der schillernden Schönheit, aber durch die Kälte auch eine der Gefahren und Mühen. So sollte das Leben, das er gebar, nach seinem Ebenbild von zäher Wildheit sein, Kämpfer, die in der Lage waren zusammen zu halten und gemeinsam stark zu werden.
Ariola beanspruchte das Steppen- und Ebenenland für sich, denn Klänge und Wind konnten sich hier verbreiten, wie nirgendwo sonst. Ihre Kinder waren begabt in der Musik und den Künsten, so war die Kreativität und Philosophie ihr höchstes Gut.
Die Wüste war die Spielwiese Naaris. Wie sie selbst war sie unberechenbar schön, wild, zerstörerisch aber ebenso lebensspendend wie todbringend.
Ihre Heißblütigkeit ist auch ihren Geschöpfen eigen.
Tarloks Reich war eine gewaltige Gebirgskette mit vielen Tälern und reich an Metallen. Seine Geschöpfe sollten edel sein wie das Gold, hart wie Stahl und starrsinnig wie der Stein.
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Thalaria hingegen schuf ein Paradies von einem Wald.
Das Zusammenspiel der Bäume und Pflanzen zusammengefügt zu einem immerwährenden Kreislauf entsprach ihrem Trieb nach Vollkommenheit, die nie zu erreichen war,
aber auch der Weisheit, dass es mehr um den Weg denn das Ziel ging. Dieses Streben nach Perfektion im Gleichgewicht mit der Umwelt erbten ihre Kinder von ihr.
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Die Götter waren zufrieden mit ihrer Schöpfung.
Doch bald bemerkten sie, dass ihre Kinder litten, sie sahen sie sterben,
ja elendig verenden und waren ratlos über die Gründe.
Xoran bemerkte die Verzweiflung seiner Geschwister und besah sich den wandelnden Tod,
die rastlosen Seelen und das Leid auf Ziamalia. In seiner Klugheit erkannte er bald,
dass kein Leben ohne Sterben war, dass kein Licht ohne die Dunkelheit
und keine Geschäftigkeit ohne Ruhe auskam.
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So schuf er den Mond und stieß Ziamalia an, so dass sich Licht und Finsternis abwechseln konnten.
Das Leiden minderte sich, doch nun brauchte er einen Ort für die Toten und Seelen,
und so erschuf er die Unterwelt, in die er all jene brachte, deren Zeit gekommen war.
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Die Folge war Ordnung auf Ziamalia und alles hatte seinen Platz.